Nach ein paar Stunden Schlaf machen wir uns mit unseren super-duper Grilltellern auf den Weg zum Postamt von Agra. Eine Motorrikscha ist schnell gefunden. Jedoch versucht der Fahrer wieder mal, sich „längerfristige Geschäfte“ mit uns zu sichern: „Where you want go after? I bring you! One or two hour waiting – no problem, free of charge!“ Jaja, alles klar! Kommt das jemandem bekannt vor? „No! Only this job - nothing more!“ sage ich. „Why not? It’s free!“ „Hey! You no listen, he? Only to the postoffice, finish!“ Während der Fahrt versucht er es noch ein paarmal. Dabei immer schön freundlich! Verständlich, wenn unerfahrene Touristen darauf eingehen. Erst, als ich ihm in erhöhtem Tonfall beibringe, dass er mir tierisch auf die Nerven geht und er gefälligst die Fliege machen soll, sobald er uns abgesetzt hat, gibt er Ruhe. Und als hätten wir es nicht schon geahnt, fragt er doch nochmal, nachdem er uns abgesetzt hat: „I wait for you! It’s free!“ Meine Güte, die Fahrer in Agra sind aber echt hartnäckige Vertreter ihrer eh schon nicht sehr angesehen Berufsgruppe! Kein Wunder auch, wir sind in einem DER Touristengebiete Indiens. Unbekümmert winke ich ab, soll er doch den ganzen Tag auf uns warten! Sind wir doch gerade glücklich, vorerst am Ziel zu sein – dem Hauptpostamt.
Beim Betreten fällt uns ein, dass wir ja gar nicht mehr genug Bargeld dabei haben. Ok, dann müssen wir uns darum noch kümmern – aber zuerst orientieren wir uns hier mal. Es gibt in dieser Halle mehrere Schalter. Einige sind für Inland-Paketsendungen, einige nur für Briefpost und die ganz rechts sind „Multipurpose“, also Mehrzweckschalter. Die sind nur alle nicht besetzt. Ein Mann, der an einem kleinen Tisch in der Mitte des Eingangsbereiches sitzt, teilt mir mit, dass die rechten Schalter die richtigen sind, wenn wir etwas nach Deutschland verschicken wollten. Die Mitarbeiter sind nur gerade in der Mittagspause – noch eine halbe Stunde. Wir haben aber auch noch keinerlei Versandverpackung! Wie funktioniert das? Ganz rechts gäbe es einen posteigenen Verpack Service, heißt es. Wunderbar! Ich habe schon damit gerechnet, dass wir an eine Art Paket-Shop irgendwo in der Stadt verwiesen werden und dann das Gerenne losgeht. In Indien ist alles möglich! An der linken Ecke der Halle befindet sich eine kleine Stube, an der man Geld wechseln kann. Vielleicht können wir hier ein paar unserer Euros umtauschen, dann müssten wir nicht extra einen ATM (Geldautomaten) suchen. Leider nehmen die aber nur Dollars an, und so bleibt uns der Weg zum ATM wohl doch nicht erspart. Hier bestätigt man uns aber zumindest, dass das Schalterpersonal in einer halben Stunde wieder zurück sein sollte. Seit dem wir hier sind wartet an den rechten Multipurpose-Schaltern jedoch schon eine kleine Menschentraube. (Die Inder halten sehr wenig von Anstehen und Schlange bilden!) Wie schnell die Postmitarbeiter arbeiten wissen wir nicht. Und ob nicht noch ein Ansturm auf die Post kommt wissen wir ebenfalls nicht. Daher beschließen wir, uns aufzuteilen: Alex geht einen ATM suchen und ich stelle mich schon mal an (ich drücke mich also an die Traube mit meinen riesigen Tellern). Da ich die indische halbe Stunde kenne richte ich mich auf eine längere Wartezeit ein. Kaum sind 10 Minuten vergangen, kommt Bewegung hinter die Schalter. Das glaube ich ja jetzt irgendwie nicht :-) Ein paar Momente später deutet mir ein Postmitarbeiter an, ich solle außen rum hinter den Schalter kommen. Hier Platz genommen soll ich ein Formular ausfüllen: Empfängername, Zieladresse, kurze Beschreibung des Paketinhalts, Absenderadresse…ähm, was schreib ich denn jetzt bei „Absender“ rein? Sheeva Inn Hotel, Agra Punkt. Ist ja auch völlig egal denke ich mir, kann ja später eh keiner mehr nachverfolgen. Dann bekomme ich noch gezeigt, was der Versand inklusive „Packaging Service“ kostet: 2800 INR - also gut. „We have to wait for my wife, she will get the money.“ gestikuliere ich. Eine andere Dame beginnt unterdessen, die Plastiktüte mit unseren Tellern zu inspizieren. Überrascht vom hohen Gewicht schaut sie mich erstaunt an. Sie öffnet die Tüte, schaut hinein und kann sich ihr Grinsen nicht verkneifen :-) Sie nimmt die Tüte und gibt mir ein Zeichen, dass ich ihr folgen soll. Wir gehen in eine Gitterzelle am Ende der Halle, wo sie beginnt, die Tüte in Stoff einzunähen. Wie? Ja stimmt! Erst jetzt fällt mir auch auf, dass ich hier noch keine Kartons oder Kisten, sondern nur solche in Stoff genähte Ballen überall habe rumliegen sehen. Das ist eben die indische Art und Weise, „Pakete“ zu versenden. Während ich ein weiteres Formular ausfüllen darf, näht die nette Dame mit routinierter Hand unsere Teller in ein Stück Stoff ein:
Der beigefarbene Stoff und der dicke Garn machen zu meiner Beruhigung einen strapazierfähigen Eindruck. Danach geht es wieder rüber zu den Schaltern. Hier werden die Nähte zusätzlich mit Wachs versiegelt. Das macht einen richtig nostalgischen Eindruck. Was die daheim wohl denken, wenn die das Gebinde bekommen?!
Danach wird die Adresse mit einem Filzstift riesengroß draufgeschrieben. Das wäre es dann, jetzt muss nur noch bezahlt werden. Aber wo ist Alexandra? Hm, mal einen Blick durch die Halle werfen…nichts. In dem Moment kommt mir ein unangenehmer Gedanke: „Ist sie vielleicht schon längst wieder zurück vom Geld holen gewesen und, weil sie mich nicht gefunden hat, wieder zurück ins Hotel gefahren? Ich war ja eine ganze Weile in dieser Zelle am anderen Ende der Halle!“ „Aber nein, das glaube ich nicht.“ denke ich mir im nächsten Moment. „Warum sollte ich denn zurück ins Hotel gehen?“ Da weist mich ein Mitarbeiter der Post nochmal auf den Betrag hin, den er nun gerne von mir haben will. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu wiederholen: „We have to wait for my wife. She’s went to the ATM to geht the money.“ Die Dame, die die Teller verpackt hat, sitzt derweil neben mir an ihrem Schreibtisch und hat die Arme sicher auf unserem Paket verschränkt. „Ok, dann kam ihr wohl was dazwischen.“ denke ich mir. Denn laut der Beschreibung von der Geldwechselstube soll der nächste ATM „not far“ sein. „Ihr wird doch wohl nichts passiert sein?!“
10 Minuten vergehen. Die vorhin noch so nette Dame schaut inzwischen Arme immer noch über unserem Paket verschränkt- ziemlich düster zu mir rüber. Oh Mann, die wird schon denken ich will sie um ihr Geld prellen! Mir bleibt aber wohl nichts anderes übrig, als es auszusitzen...
Weitere 10 Minuten später sehe ich auf einmal eine hektische Alexandra im schnellen Schritt das Postamt reinlaufen. Die Erleichterung fährt mir durch Mark und Bein! „Wo warst du denn so lang?“ rufe ich über den Schaltertresen. „Was hat der Kerl in der Wechselstube gemeint? Not far? Das war das indische „nicht weit“! Nachdem ich 20 Minuten in die beschriebene Richtung gelaufen bin, die auch von mehreren Passanten bestätigt wurde, habe ich mich den Rest des Weges mit einer Fahrradrikscha fahren lassen, die schon die ganze Zeit neben mir hergefahren war. Und trotzdem hat es noch voll ewig gedauert! Ich hab mich voll beeilt!“ „Jetzt zahl erst mal den Mann, dann kannste immer noch erzählen.“ Voller Erleichterung werden wir die verlangten 2800 Rupien los. Ich bedanke mich nochmals bei der „Verpack-Dame“, die inzwischen wieder recht entspannt, bevor wir glücklich das Postamt verlassen. [Oki]
Abenteuer Zoll in Deutschland
Etwa zwei Wochen später bekommen wir von unserer Heimatbasis (Gerhard, der Vater von Alex) eine Email. Er hat eine Mail vom Zoll erhalten, in der steht, dass ein an ihn adressiertes Paket bei ihnen läge und nicht zugestellt werden könne, da außen keine Rechnung angebracht und der Inhalt nicht eindeutig zu identifizieren wäre. Wir haben dann natürlich eine Email mit genauer Inhalts- und Wertangabe in Rupee und Euro zurückgeschrieben. Mit diesen Informationen ist er dann zum Zoll marschiert um das Paket in Empfang zu nehmen. Dabei hat er auch einiges erlebt, aber lest selbst:
Abenteuer Zoll
Nachdem ich von der Post die Nachricht bekam, dass das Indien Paket beim Zoll liegt, am nächsten Tag auf zum Zoll.
Das Zollamt soll in der Ottostrasse Industriegebiet Durlach Killisfeld sein. An der angegebenen Adresse sehe ich ein Riesiges Gelände, überall große Lastwagen der Spedition SWS. Ich stelle das Auto irgendwo ab und laufe, vorbei an großen Spedition LKW´s über den Hof. Irgendwann entdecke ich: Zollamt - SWS Bürogebäude 2. Stock.
Schilder - Ausfuhr, Einfuhr, Poststelle. An der Poststelle gebe ich meine Unterlagen, Benachrichtigung von der Post und E-Mail Ausdruck von Markus mit Beschreibung des Inhalts und Wertangabe einem Mitarbeiter. Der kramt in einem Karteikasten, wird fündig und kommt kurze Zeit später mit einem weißen Sack, der zugenäht ist und auf dem sich überall Wachssiegel befinden wieder.
Ich solle das Paket öffnen, was ich auch umgehend mache, eine Schere zum Aufschneiden des Sackes hat der Zollmitarbeiter für mich. Nun kommen der Inhalt, drei Decken und die Metallteller zum Vorschein. Ich erkläre: Grillteller mit separaten Ablagen für Fleisch, Salate, Soßen usw. Der Zollmensch ist begeistert, das hätte ich auch gerne, wo gibt’s das denn, nur in Indien?
Nun schaut er auf die E-Mail von Markus: Hm, der „Paket“ Inhalt ist leider etwas zu wertvoll, er müsse Einfuhrumsatzsteuer berechnen, bei 30€ hätte er ein Auge zugedrückt, ich solle warten bis die Formulare ausgefüllt sind.
Nun warte ich, dabei werde ich Zeuge eines anderen Vorgangs. Ein Ausländischer Mitbürger möchte ein Buch abholen. Der Zollbeamte erklärt dass er das Buch nicht aushändigen könne: Auf dem Buchdeckel ist ein Hakenkreuz zu sehen. Er erklärt: In Deutschland sind Nationalsozialistische Symbole verboten, das Buch muss hierbleiben und außerdem bekommen Sie mächtig Ärger wenn Sie das bei E-Bay reinstellen. Der Mann meint, er wolle das Buch für sich und beabsichtige nicht das Buch weiterzugeben. Letztendlich findet man eine Lösung. Er darf das Hakenkreuz aus dem Buchdeckel schneiden und sein Buch mitnehmen.
Inzwischen sind meine Dokumente (Einfuhrabgabenbescheid 5 Seiten) fertig, 10,26€ EUST, an der Kasse zu zahlen.
Nachdem der Mann an der Kasse handschriftlich 4 bis 5 Einträge in verschiedene Bücher gemacht hatte und mir noch handschriftlich eine Quittung, versehen mit zwei Stempeln aushändigte, konnte ich gehen. Auf dem Weg zum Auto wurden mir die Arme ganz schön lang, wie schwer war das, 9 Kg?
Die Teller und die Decken sind jedenfalls klasse und wohlbehalten angekommen.
Gerhard
Wir freuen uns jedenfalls, dass die Teller überhaupt angekommen sind (haben da schon entsprechende Geschichten über die indische Post gehört) und können es kaum erwarten, sie einzuweihen. Das werden wir übrigens schon eine Woche nach unserer Rückkehr im Mai machen - beim jährlich stattfindenden Pfingstzelten.